CO2-Bilanz - Teil 1 - Fehler in der CO2-Bilanz der Wiesengrundfreunde

Veröffentlicht am 21. April 2024 um 20:06

Ergänzungen/Änderungen vorgenommen ab 23.04.2024. Änderungen in Tabelle am Ende beschrieben.

Vorbemerkung

Ursprünglich wollte ich einen Faktencheck zur CO2-Bilanz schreiben, die die Wiesengrundfreunde veröffentlich haben, und eigene Werte dagegenhalten. Da der Zweckverband mittlerweile Zahlen zu seiner Amortisationsrechnung veröffentlich hat, hat sich das ein Stück weit erübrigt.

Grundsätzlich besteht bei einem Faktencheck zu CO2-Bilanzen das Problem, dass für eine korrekte Bilanz Details zur Konstruktion der Bauwerke bekannt sein müssen. Zudem sind Ingenieurs-Kenntnisse erforderlich, um einzelne Baugruppen/Material richtig zuordnen zu können.

Daher werde ich mich bei diesem Faktencheck auf die folgenden Punkte konzentrieren:

  • Auf die Richtigkeit zu Grunde gelegter Studien und Annahmen.
  • Eine Einordnung der  CO2-Kosten des Zweckverbands anhand einer Studie, die die durchschnittlichen CO2-Kosten von Bahnstrecken für eine Lebensdauer von 60 Jahren (inkl. Erneuerung von Bauwerken mit niedriger Lebensdauer innerhalb dieser 60 Jahre) ermittelt hat.

 

Die Wiesengrundfreunde haben auf Ihrer Website mittlerweile einen anderen Text zur CO2-Bilanz veröffentlicht. Zu diesem findet sich unter "Schlussbemerkung" eine vorläufige, erste Einordnung. Ein detaillierter Faktencheck erfolgt in einem 2. Teil.

 

Fehler in der CO2-Bilanz der Wiesengrundfreunde

Die Wiesengrundfreunde berechnen die CO2-Kosten der StUB anhand der Klimastudie "Die Klimabilanz
Berliner U-Bahn und Straßenbahnplanungen" aus Berlin.[Dittmer et al_2023][wiesengrundfreunde.net] Diese Studie enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung einen inhaltlichen Fehler, durch den die CO2-Kosten der U-Bahn-Tunnel und anteilig auch der Straßenbahnstrecken ca. um den Faktor 2,4 bis 3 überschätzt wurden.[Sedlak_o.J.][STUVA_2022]

Die Berliner Klimastudie wurde 2023 in einer überarbeiteten Fassung veröffentlicht, bei der die Annahmen so modifiziert wurden, dass die Ergebnisse trotz Korrektur des Rechenfehlers weiter ungefähr der ursprünglichen Fassung entsprechen.

 

Die Berliner Studie errechnet in der aktualisierten Fassung einen CO2-Ausstoß pro Tonne Stahlbeton von 1.150kg CO2/m³.[Dittmer et al_2023, S.8] Den Stahlbeton betiteln sie als "wasserundurchlässigen" Stahlbeton für den U-Bahn-Bau. Mit diesem Stahlbeton berechnet die Studie auch die CO2-Emissionen für baulich weniger anspruchsvolle Bauwerke wie Bahnsteige im Straßenbahnbereich.[Dittmer et al_2023, S. 16] Der beim U-Bahnbau und Tunnelbau üblicherweise eingesetzte Stahlbeton mit Beton der Festigkeitsklasse C35/45 hat jedoch nur eine CO2-Emission von 290kg/m³ Stahlbeton, wovon 244kg/m³ auf den Beton entfallen.[STUVA_2022, S. 21][tunnel-online.info, S. 14] Auch Beton der Festigkeitsklasse C50/60 kommt "nur" auf ca. 330kg CO2/m³.[oekobaudat.de]

 

Unter der Verwendung der falschen Rechengrundlage aus der Berliner Klimastudie ermitteln die Wiesengrundfreunde CO2-Kosten in der Höhe von 249.150t CO2.[wiesengrundfreunde.net]

Instagrambeitrag wiesengrundfreunde_erlangenv om 16.03.2024, abgerufen am 21.04.2024


Der Zweckverband rechnet mit 61.688t CO2.[stadtumlandbahn.de] Die Wiesengrundfreunde haben die CO2-Kosten der StUB dementsprechend um den Faktor 4 zu hoch berechnet.

Selbst unter Verwendung der 80.194,4t CO2, die der Zweckverband als oberes Limit bei Ausnutzung von Planungsspielräumen angibt, liegen die Wiesengrundfreunde noch um den Faktor 3,1 zu hoch.

 

Bei der Berechnung der Amortisationsdauer kommt hinzu, dass auf der Website eine zu geringe Verminderung der MIV-Betriebsleistung verwendet wurde (31 Mio. MIV-Kilometer anstatt 47 Mio. km)

 

Einordnung der CO2-Bilanz des Zweckverbands

Bisher gibt es nur wenige Studien, die sich mit den CO2-Kosten von Verkehrssystemen inklusive Bau und Infrastruktur auseinandersetzen. Das Öko-Institut hat 2013 eine Studie veröffentlicht, die sich mit den THG-Emissionen von Schieneninfrastruktur im Vollbahn-Bereich auseinander setzt.[oeko_2013] Dabei rechnen die Autoren die Co2-Äquivalente pro Gleiskilometer Jahr aus, wobei die gerechnete Lebensdauer 60 Jahre beträgt.[oeko_2013, S. 13 - S. 15][oeko_2013, S. 7.] Dieser Durchschnitt enthält auch die Ingenieursbauwerke, den Ersatz von Bestandteilen mit kürzerer Lebensdauer und die Instandhaltung in dieser Zeit.

Rechnet man mit dem Durchschnittswert von 24,8t pro Gleiskilometer pro Jahr und multipliziert ihn mit 60 Jahren, sind dies 1.488t pro Gleiskilometer. 

24,8t/Gkm/a * 60a = 1.488t/Gkm

 

Bei 26 Kilometern zweigleisiger Strecke der StUB (die kurzen Wendeschleifen und das 2. Gleis in Herzogenaurach nicht eingerechnet) sind es 77.376t CO2.

1.488t/Gkm * 26km * 2 Gleise = 77.376t

Dies Zahl ist rund 25% höher als die Zahl des Zweckverbandes. Allerdings handelt es sich um den CO2-Ausstoß einer Vollbahn-Trasse, die konstruktiv aufwändiger ist. Die Radsatzlast bei einer Vollbahn ist doppelt so hoch wie bei einer Straßenbahn, die Geschwindigkeit 2 bis 3 mal größer.

 

Fazit

Die CO2-Bilanz der Wiesengrundfreunde ist um den Faktor 3,1 bis 4 zu hoch berechnet. Die anhand dieser Zahl gerechneten Amortisationsdauern beruhen dementsprechend auf einer Grundlegend falschen Datenbasis.

 

Schlussbemerkung

Die Wiesengrundfreunde haben zwischenzeitlich ihre Website angepasst. Sie kritisieren nun vor allem das Überschreiten des 1,5 Grad Ziels des Erlanger Klimanotstands in 2024 und die fehlende Berücksichtigung des Restbudgetansatzes.[wiesengrundfreunde.net] Hierüber wird der zweite Teil des Faktenchecks gehen. Jedoch möchte ich zur Einordnung schon jetzt sagen, dass Klimaneutralität, vor Allem im Verkehr, erst Investitionen erfordert. Zumindest, wenn sie nicht über umfangreiche Einschränkungen, Verbote oder verpflichtende Regelungen erreicht werden soll. Sie fällt nicht vom Himmel. Die gleichen Mittel, mit denen z.B. der Straßenverkehr und einige Industriezweige aufwändig permanent dekarbonisiert werden müssen (C02-Abschneidung aus der Luft), können auch genutzt werden, um Bauemissionen von ÖPNV-Projekten direkt zu kompensieren. Auch die alternativen Maßnahmen, die die Wiesengrundfreunde aufführen, benötigen Investitionen wie zusätzliche Busspuren oder den vorzeitige Ersatz von Brücken in den Bestandsdämmen. Die Idee, die Herzobase über zwei Umstiege indirekt über die Aurachtalbahn anzubinden, ist verkehrlich nicht sinnvoll. Jeder Umsteigevorgang reduziert die Fahrgastzahl um ca. 20 bis 50%. [Zbikowski 2002, S. 8 - S. 9] [BMDV_Stand.Bew._Anhang1, S. 26]

 

Änderungen

Datum Beschreibung der Änderung
23.04.2024 Absatz zum konkreten CO2-Ausstoß von Stahlbeton aufgenommmen.
24.04.2024 Wortdoppelungen entfernt. Text und Belege zur Studie des Ökoinstituts ergänzt um den Punkt "Instandhaltung".
27.04.2024 Vorbemerkung und Schlussbemerkung angepasst, um Anpassung der Website der Wiesengrundfreunde zu reflektieren.
30.04.2024 Seitenzahl in Beleg korrigiert (jetzt korrekt auf "gedruckte" Seitenzahl)