Faktencheck: Kostensteigerung

Veröffentlicht am 26. März 2024 um 13:16

Bei der Neuschätzung der Baukosten der StUB (in den Folien-/Nutzen-Kosten-Untersuchungen Investitionskosten genannt) 2022 haben sich die Baukosten stark erhöht. Insgesamt stieg die Schätzung der Investitionskosten von 372 Millionen Euro 2019 auf 635 Millionen Euro. Hinzu kommen 95 Millionen Euro Planungskosten. Kritiker befürchten, mit Verweis auf andere Projekte, nicht zu Unrecht, weitere Kostensteigerungen. Manche reden sogar schon von einem Milliardengrab.

Post von nein.zur.stub vom 25.03.2024, Kampagne/Seite des Vereins HeimatERhalten e.V., angerufen am 26.03.2024

 

Doch woher kam diese Kostensteigerung? Was führte in anderen Projekten zu Kostensteigerungen? Wie steht die Planung der StUB im Vergleich dazu da? 
Um diese Fragen zu beantworten, gehen wir zunächst auf das Thema Kostenschätzung an sich ein. Anschließend dröseln wir die Kostensteigerung bei der StUB auf und vergleichen sie mit anderen Projekten.

Zuletzt widmen wir uns noch der Frage, ob die StUB ein Milliardenprojekt oder gar Milliardengrab ist.

Kostenschätzung bei Infrastrukturprojekten

Kostenschätzungen bei Infrastrukturprojekten (oder auch anderen Projekten) basieren jeweils auf dem aktuellen Planungsstand, den zum Zeitpunkt der Schätzungen bekannten Umständen und sind auf den aktuellen Preisstand normiert.[wikipedia][Erläuterung_Kostenschätzung_RRX][eurailpress.de]

Aus dem letzten Teil wird deutlich, warum es bei Infrastrukturprojekten zu Kostensteigerungen bzw. Abweichungen zur Kostenschätzung kommen muss: dadurch, dass Inflation und Baukostensteigerungen nicht über die erwartete Projektlaufzeit eingerechnet werden, muss es zu betragsmäßigen Abweichungen kommen. Der Wert der Kostenschätzung ist insofern mit der Angabe eines Kapitalwerts bzw. Barwerts zur Bewertung einer Investition vergleichbar.

 

Kostensteigerung bei der StUB aufgedrößelt

Nach den Unterlagen zum 14. Dialogforum verteilt sich die Kostensteigerung von ca. 263 Mio. Euro auf folgende Punkte:

  • Inflation: 128 Mio. Euro
  • detaillierte Planung und bewusste Änderungen: 63,8 Mio. Euro
    Zu den Änderungen gehören:
    • Unterführung A73 anstatt Überführung
    • Wendeschleife Reutles
    • Anderer Standort Wendeschleife Erlangen Süd
    • Anpassung Wendeschleife Regnitzstadt
    • Anpassung Trassierung im Adenauerring und Wendeschleife Rudeltplatz (Wendeschleife Büchenbach)
  • Brückenneubau Kosbacher Damm: 9,3 Mio. Euro
  • Verkehrszustände und Baustelleneinrichtung: 13,9 Mio. Euro
  • Erhöhung des Risikopuffers: 48 Mio. Euro

Quelle: Foliensatz zum 14. Dialogforum, ZV StUB, S. 64.

 

Bei Annahme des gleichen Planungsstandes wie 2019 und ohne Erhöhung des Risikopuffers würden die Kosten bei ca. 500 Mio. Euro liegen. Dies sind ca. 34% Steigerung und entspricht damit ungefähr der Kostensteigerung im Baupreisindex. [destatis Baupreisindex Ingenieurbau]. Nach Destatis stiegen die Baupreise für Straßen von Q4 2019 bis Q4 2022 um ca. 28,4% [ (152,7/118,9)-1 ].*

*für Straßenbahnen habe ich noch keinen Baupreisindex gefunden.

 

Kostensteigerungen bei anderen Projekten

Um zu ermitteln, welche Faktoren zu Kostensteigerungen bei anderen Projekten geführt haben, schauen wir uns exemplarisch einige Projekte an:

  • Straßenbahn Nürnberg: Verlängerung Thon - Am Wegfeld [nordbayern.de][nordbayern.de]
    • Planungsänderungen
    • schlecht dokumentierte Leitungen
    • Bombenfund
    • Anpassungen der Verkehrsführung während der Bauzustände
    • Baukostensteigerungen/Inflation
  • Bau der U5 in Hamburg [hochbahn.de]
    • Kostensteigerung durch Baukostensteigerungen/Inflation vor Beginn des Baus
    • Situation aktuell mit der der StUB vergleichbar
  • Frankfurt (Main) - nordmainische S-Bahn [hessenschau.de]
    • Baukostensteigerungen
    • Erweiterungen des Bauumfangs z.B. wegen nicht geschätzter Versorgungsleitungen
    • Aufnahme zusätzlicher Brückenbauten
  • Ausbau der Schönbuchbahn [stuttgarter-zeitung.de]
    • Umsiedlung von Eidechsen
    • Bombenfund
    • Stabilisierung Baugrund
    • Planungsfehler bei Oberleitungsanlage

 

Aus dieser Auflistung wird deutlich, dass eine Kostensteigerung schon allein auf Grund des Baukosten-Index unvermeidlich ist. Jedoch traten bei den bereits in Umsetzung befindlichen oder abgeschlossenen Projekten auch schlicht unvorhergesehene Dinge ein, die das Projekt verzögerten und verteuerten. Zu diesen Dingen gehören in der Regel Bombenfunde (oder andere Kampfmittel), Planungsänderungen im laufenden Projekt und die schlechte Dokumentation von Versorgungsleitungen und daraus entstehenden Kostensteigerungen bei der Verlegung dieser.

 

Einschätzung "Kostensteigerung StUB"

Die Kostensteigerung der StUB kann im Wesentlichen in zwei Hauptbestandteile kategorisiert werden:

  • die allgemeine Baukostensteigerung, hier ca. 10,3 Prozent p.A. (dritte Wurzel aus 1,344 wg. 34,4% Kostensteigerung)
  • Planungsänderungen wie die Unterführung A73 oder der Ersatzbau der Brücke über den Main-Donau-Kanal des Kosbacher Damms .

 

In Bezug auf die erste Kategorie entspricht die Kostensteigerung dem Erwartungswert durch die allgemeine Baukostensteigerung. In der zweiten Kategorie werden effektiv Kostensteigerungen vorweggenommen, die in anderen Projekten erst während der Projektlaufzeit aufgetreten wären. 

Ebenso sind durch den umfangreichen Dialog- und Bürgerbeteiligungsprozess viele Diskussionen, die in anderen Projekten zu nachträglichen Änderungen geführt hätten, vorweggenommen worden. Durch die 20% Risikopuffer können unvermeidlich auftretenden Kostensteigerungen aufgefangen werden.

Wichtig ist auch zu wissen, dass es sich bei der Kostenangabe um einen Kapital- bzw. Barwert handelt. Künftige Baukostensteiggerungen oder Kostensteigerungen durch die Inflation, die zu einer betragsmäßigen Erhöhung der Kosten führen, sind nicht enthalten.
Dass Infrastrukturprojekte meist keinen Betrag nennen, der die Inflation oder Kostensteigerung enthält, ist verständlich. Zum einen hängt dieser Betrag an zu vielen Unsicherheitsfaktoren. Zum anderen ist die Vergleichbarkeit von Projekten durch den Kapitalwert, also den Wert zum aktuellen Preisstand, viel aussagekräftiger.

 

Klar ist aber auch: 100%ige Sicherheit gibt es bei solchen Kostenschätzungen und Planungen nie. Würde man deswegen jedoch keine Investitionsprojekte mehr durchführen, würden wir keine Straße, keine Brücke, kein Krankenhaus, keine Schule, keine Wasserleitung, keine Stromleitung und keine Bahn mehr bauen oder sanieren.

 

Ein Experiment: Zahlungsreihe der StUB mit Baukostensteigerung

Da die Hochbahn für die U5 tatsächlich auch eine Berechnung auf Basis der erwarteten Inflation und Baukostensteigerung durchführt, möchte ich dies für die StUB ebenfalls versuchen.

Dazu treffen wir folgende Vereinfachungen: 

  • Wir berechnen nur die Investitionskosten. Die Planungskosten liegen in einem zeitlich deutlich überschaubareren Rahmen.
  • Der Projektzeitraum ist von 2025 bis 2034, also 10 Jahre. (entspricht dem Zeitplan des Zweckverbands)
  • Die Zahlung der Investitionskosten beginnt nach der Planfeststellung, also erstmalig 2028.
  • Die Zahlungen erfolgen in gleichen Teilen zu je 1/7 von 2028 - 2034.
  • Die Zahlungen erfolgen nachschüssig.

 

Wir errechnen die Zahlungsreihen dazu jeweils für die oben ermittelten 10,3% jährliche Kostensteigerung, die 4,8% der Hochbahn nach dem Ukrainekrieg und die 2,3% Inflationsrate der Hochbahn vor dem Ukrainekrieg. Die 4,8% erscheinen dabei realistisch, da die Steigerung der Baukosten von Q42022 auf Q4 2023 bereits auf ca. 6,3% zurückgegangen ist [ (162,4/152,7)-1 ] [destatis Baupreisindex Ingenieurbau]

Fazit: unter Berücksichtigung der Inflation kann die StUB tatsächlich je nach Inflationsrate/Entwicklung des Baupreisindex nachträglich zum Milliardenprojekt werden. 

Aber: 

  • der Nutzen würde sich betragsmäßig genauso weiter entwickeln, da er betragsmäßig mit der Inflation steigt.
  • Das Nutzen-Kostenverhältnis würde gleichbleiben.

Das heißt: die StUB wird mit Sicherheit kein Milliardengrab werden. Und Investitionen vergleicht man nicht umsonst anhand der Kapitalwerte.